Seit Mai 2014 ist das Bundesgesetz zum „Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt“ in Kraft. Iris Jares, eine der Fachberaterinnen für Schwangerschaftskonflikte in der evangelischen Beratungsstelle Duisburg/Moers und die Beratungsstellenleiterin Anke Jäger berichten aus fünf Jahren Erfahrung mit dieser besonderen Form der Hilfe für Mutter und Kind.
Beistand in einer absoluten Ausnahmesituation
Wie viele quälende Stunden eine Schwangere für sich allein über ihre scheinbar ausweglose Lage gegrübelt hat, bevor eine Entscheidung fällt, wissen die Teammitglieder in der Beratungsstelle nicht. „Aber wenn dann bei uns das Telefon klingelt und eine Beratung zur vertraulichen Geburt ansteht, dann ist es oft schon höchste Eisenbahn“, erzählt Anke Jäger. Die Beratungsstelle wird zur Schaltstelle eines recht komplizierten Verfahrens an dem die Geburtsklinik, das Jugendamt, die Adoptionsstelle und viele weitere Akteure beteiligt sind. Von denen erfährt keiner den wirklichen Namen der Schwangeren. Nur der Beraterin ist die wahre Identität bekannt. Die Schwangere kann nach einer ergebnisoffenen Beratung über ihre Möglichkeiten ihr Kind in einer Klinik medizinisch versorgt zur Welt bringen und es zur Adoption freigeben. Sie wird von ihrer Beraterin nach der Geburt auf Wunsch weiter betreut. Die Kosten für die Entbindung übernimmt der Bund. Das adoptierte Kind hat später mit 16 Jahren die Möglichkeit, den richtigen Namen der Mutter zu erfahren und Kontakt mit ihr aufzunehmen, wenn sie dem zustimmt.
Routine ist das für die speziell geschulten Beraterinnen nicht geworden. Sie haben die Möglichkeit, ihr Wissen über einzelne Schritte des Ablaufs bei einem Beraterpool zeitnahe aufzufrischen, wenn sich im Verfahren Unsicherheiten ergeben sollten. Bei bundesweit 2200 Beratungen und 570 vertraulichen Geburten in den vergangenen fünf Jahren erleben viele einen solchen Fall vielleicht nur einmal in ihrem Berufsleben. „Dann muss man eben von jetzt auf gleich alles stehen und liegen lassen“, sagen Jares und Jäger. Sie teilen die Erinnerung an ein sehr langes Pfingstwochenende, an dem eine Schwangere allen Dienstplänen zum Trotz die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Betreuerin brauchte.
„Die Frauen kommen aus allen Gesellschaftsschichten und allen Altersklassen“, sagt Jares. Manche haben Kinder zuhause. Manche haben Angst vor einem gewalttätigen Partner. Oder sie sind in einer anderen Bedrohungslage. Manche haben psychische Probleme. Alle sind in einer absoluten Ausnahmesituation. Viele merken erst in der Beratung, dass sie mit ihren Problemen nicht ganz alleine auf der Welt sind. Dass es für sie Wahlmöglichkeiten gibt. Die vertrauliche Geburt ist nur eine davon.
Jede Frau, die auf der Internetseite www.geburt-vertraulich.de ihren Wohnort eingibt, sieht sofort eine Liste von unterschiedlichen Beratungsstellen in ihrer Nähe, aus denen sie wählen kann. Auch am rund um die Uhr besetzten Hilfetelefon 0800 40 40 020 können Schwangere die nötigen Informationen bekommen.
Text: Sabine Merkelt-Rahm, 27.5.2019